Titelerlangung in Deutschland durch öffentliche
Klagezustellung
Der Schuldner pflegt seinen Vermögensaufbau auf Mallorca
mit den Vermögenswerten der Gläubiger. Diese haben
das Nachsehen in Deutschland ? Das Wohnungsmobiliar wird
in Deutschland gekauft und vor Bezahlung nach Spanien transportiert
zur Einrichtung der neuen Villa. Es wird ein Bankkredit
für geschäftliche Zwecke in Deutschland erweitert
oder es werden die Darlehen in Deutschland schlicht vergessen
und die positiven Vermögenswerte zur neuen Existenzgründung
nach Spanien verlagert.
Der Reigen der Praxisbeispiele lässt sich fast beliebig
verlängern. Regelmässig getragen von der Hoffnung,
sich des Negativvermögens durch offiziellen
Umzug, unbekannt gehaltenen Aufenthaltsortes oder häufigen
Wohnsitzwechsel entledigen zu können.
In vielen dieser Fälle würde dem Gläubiger
die öffentliche Klagezustellung zu einem Gerichtstitel
in Deutschland verhelfen, wenn ihm dieses prozessuale Instrumentarium
bekannt wäre und er in der Lage ist, seine Wohnsitzrecherchen
und Zustellungsbemühungen im notwendigen Umfang glaubhaft
zu machen, namentlich dass
- der Schuldner unter Verheimlichung seines neuen Aufenthaltsortes
verzogen ist oder
- sich trotz bekannten Aufenthaltsortes im Ausland praktisch
dort der Zustellung entzieht.
Hier ermöglicht uns der gekoppelte Kanzleistandort
in Deutschland und Spanien ein systematisches paralleles
Vorgehen; teilweise auch in Zusammenarbeit mit der Partnerkanzlei
Dr. Bärnreuther & Wegener am Standort Würzburg,
welche in Deutschland langjährig Inkassobüros
bei der Forderungsdurchsetzung vertritt.
Umzug nach Spanien ohne Bekanntgabe an die deutschen
Gläubiger
Kann man sich so seiner Schulden entledigen ?
(veröffentlicht im Mallorca Anzeiger / El Aviso,
08/2000)
Eine Situation, mit der man als deutsche Kanzlei mit Standort
Spanien regelmässig konfrontiert wird, sei es im Auftrag
eines deutschen Gläubigers oder als Beratungsmandat
nach Spanien übergesiedelter Deutscher.
Umzug nach "Barcelona"
Beim deutschen Einwohnermeldeamt wird die Übersiedlung
nach Spanien, früher häufig als Wohnort "Barcelona"
angegeben, gemeldet. Soweit das deutsche Einwohnermeldeamt
heute den pauschalen Umzug nach "Spanien" oder
"Barcelona" für eine Abmeldung nicht mehr
genügen lässt, wird eine nur kurzfristig zutreffende
Anschrift in Spanien gewählt, oder, - rechtswidrig
-, mitunter auch eine Phantasieanschrift.
Der Umzug nach Spanien verhindert die Erlangung eines deutschen
Gerichtstitels nicht.
Dies ist der Regelfall und gilt insbesondere dann, wenn
im Zeitpunkt der Entstehung der Verbindlichkeiten noch die
offizielle Wohnsitzanmeldung in Deutschland gegeben war.
Dann nämlich bleibt das angerufene deutsche Gericht
nach den §§ 269, 270 Absatz 1, Absatz 4 des Bürgerlichen
Gesetzbuches unter dem Gesichtspunktes des Erfüllungsortes
auch international zuständig.
Nicht mehr möglich, nach dem Umzug nach Spanien, jedenfalls
nicht ohne Zustimmung des Schuldners, ist die Zustellung
im Rahmen eines deutschen Mahnverfahrens in Spanien, so
dass der deutsche Gläubiger auch dann auf die direkte
Einleitung eines Klageverfahrens angewiesen ist, wenn er
den tatsächlichen Aufenthaltsort der nach Spanien umgesiedelten
Person ausfindig macht.
Öffentliche Klagezustellung bei unbekanntem Aufenthaltsort
des Schuldners
Verhindert nun der nach Spanien übergesiedelte
Schuldner das Bekanntwerden seines aktuellen spanischen
Aufenthaltsortes, so ist dies für diesen nicht immer
die günstigste Variante. Nach § 203 Absatz 1 der
deutschen Zivilprozessordnung kann dann die Klagezustellung
durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen. Für
die Unbekanntheit des Aufenthaltsorts, für die die
klagende Partei die Behauptungs- und Beweislast trägt,
ist in der Regel die ergebnislose Auskunft beim zuständigen
Einwohnermeldeamt oder der Gemeindeverwaltung und der zuletzt
zuständigen Postdienststelle erforderlich. Bei konkreter
Angabe einer neuen spanischen Anschrift beim deutschen Einwohnermeldeamt
kommt die Notwendigkeit diesbezüglicher weiterer Recherchen
hinzu. Sind diese Recherchen über eine Gestoria, Anwaltskanzlei
oder ein Detektivbüro ordnungsgemäss in zumutbarer
Weise erfolgt, ohne dass der Aufenthaltsort des Schuldners
ermittelbar war, so ist in jedem Fall die Möglichkeit
der Klagezustellung durch öffentliche Bekanntmachung
eröffnet.
So kann eine rechtskräftige Verurteilung in Deutschland
erfolgen, ohne dass der in Spanien wohnende Beklagte Kenntnis
eines laufenden zivilrechtlichen Verfahrens in Deutschland
hatte, unter Einschluss der Möglichkeit der Verurteilung
zur Zahlung eines höheren Geldbetrages als dies im
Einzelfall gerechtfertigt ist.
Wer sich in Spanien "versteckt", kann also gerade
dadurch weitere Vermögensnachteile erleiden.
Vollstreckungsverhinderung durch Umzug nach Spanien
?
Wenn nun schon die Erlangung eines Gerichtstitels in
Deutschland durch den Umzug nach Spanien und durch das Unbekannthalten
des dortigen Aufenthaltsortes im Regelfall nicht verhinderbar
ist, so schliesst sich die Frage an, ob durch den Umzug
nach Spanien zumindest die Vollstreckung des 30 Jahre lang
gültigen Rechtstitels verhindert oder zumindest erschwert
werden kann.
Wer über kein Vermögen verfügt und dessen
Einkommen den pfändungsfreien Betrag nicht übersteigt,
gegen den kann ein gerichtlicher Zahlungstitel, weder in
Deutschland noch in Spanien, erfolgreich durchgesetzt werden.
Wenn jedoch in den folgenden 30 Jahren in Spanien wieder
Vermögen erworben wird, so kann der deutsche Gerichtstitel
in diesen Folgejahren auch durch Vollstreckung in das spanische
Vermögen umgesetzt werden.
Die Verheimlichung von vorhandenem Vermögen kann
strafrechtliche Relevanz haben
Von einer zivilrechtlichen Angelegenheit in eine strafrechtliche
wandelt sich die Schuldnersituation dann, wenn wahrheitswidrig
in Deutschland eine eidesstattliche Versicherung der Vermögenslosigkeit
abgegeben wurde und sodann das noch vorhandene Vermögen
oder der gerade erst als Darlehn ausgezahlte Vermögenswert
auf Mallorca in eine Finca investiert wird.
In der Praxis entscheidet hier oft die konkrete Ausgestaltung
und Einlassung über den Ausgang des Zivil und/oder
Strafprozesses.
Zur Rechtspraxis der Banken bei Darlehnsverbindlichkeiten
Naturgemäss geht die Intensität der Rechtsverfolgung
bei ins Ausland umgesiedelten Darlehnsschuldner bei höheren
Darlehnsbeträgen entsprechend weiter.
Für manche Bankinstitute gibt es hier beim Betrag
von 100.000 DM eine gewisse interne Intensitäts-
oder Verfolgungsrichtlinie. Aus der eigenen Anwaltspraxis
kann jedoch hinzugefügt werden, dass deutsche Banken
auch bereits bei der Grössenordnung eines Schuldbetrages
von 8.000 DM in die Auslandsverfolgung eingetreten sind,
dann allerdings schrittweise und mit begrenztem Aufwand.
Fazit:
Durch Geheimhaltung des Aufenthaltsortes in Spanien kann
man sich der Titelerlangung durch den Gläubiger nicht
entziehen.
Gläubiger grösserer Summen werden sich durch
den etwas erhöhten Aufwand und die gegebenenfalls notwendige
öffentlichen Klagezustellung nicht von dem Beschreiten
des Gerichtsweges abhalten lassen.
Rechtlich und tatsächlich kompliziert wird die Angelegenheit
dann, wenn entweder in Deutschland das tatsächliche
Vorhandensein von Vermögen gegenüber den Gläubigern
verschwiegen wurde, oder später in Spanien nachträglich
wieder Vermögen erworben wird.
Im letzteren Fall sollte insbesondere auch darüber
nachgedacht werden, die Angelegenheit im Vergleichswege
aus der Welt zu schaffen.
Günter Menth
Rechtsanwalt / Abogado inscrito