Die Gesundheitsvorsorgevollmacht als Mittel 
                    der Wahl? (veröffentlicht im Palma Kurier, 25.02. 
                    2000)
                    
                    Man erhofft es nicht, aber es ist schnell passiert: Sie liegen 
                    nach einem Unfall im Koma. Wer entscheidet nun über die 
                    weitere Behandlung oder Nicht-Behandlung ? Der zufällig 
                    behandelnde Arzt, der herbeigerufene Ehegatte oder, - bei 
                    länger andauernder unveränderter Krankheitssituation 
                    -, der Richter ?
                    
Angesichts der fortgeschrittenen Medizintechnik wird auch 
                      der Zeitpunkt unseres Versterbens häufig nicht mehr 
                      schicksalhaft "von oben" bestimmt. Vielmehr geht 
                      es immer häufiger auch um die konkrete Fragestellung 
                      "Wer stellt wann die Herz-Lungen-Maschine ab?"
                    Es geht aber auch um Risikoentscheidungen wie etwa die 
                      Frage Wer soll in solchen Situationen für mich 
                      über die Vornahme risikoreicher Behandlungen oder folgenschwerer 
                      Massnahmen entscheiden, in denen ich physisch und geistig 
                      hierzu nicht in der Lage bin?.
                    Mit einem "Testament" lassen sich diese Fragen 
                      nicht lösen. Testamentarisch kann bestimmt werden, 
                      was nach meinem Versterben mit mir, namentlich mit meinen 
                      materiellen Gütern, geschehen soll oder wem die Obhut 
                      über mein minderjähriges Kind obliegen soll und 
                      ähnliche Fragestellungen.
                    Für Massnahmen, die in meiner Vertretung zu Lebzeiten 
                      erfolgen sollen, hilft das Testament nicht weiter, hierfür 
                      wurde die sogenannte Gesundheitsvorsorgevollmacht entwickelt.
                    Bei genauer Betrachtung stehen sogar drei rechtliche 
                      Instrumente zur Verfügung, um in gesunden Tagen 
                      sein Selbstbestimmungsrecht vorsorgend für spätere 
                      Situationen auszuüben, in denen man sich selbst nicht 
                      artikulieren kann.
                    Mit der Patientenverfügung, nicht ganz korrekt 
                      auch "Patiententestament" genannt, kann man seine 
                      Wünsche betreffend eine medizinische Behandlung/Nicht-Behandlung 
                      oder Behandlungsbegrenzung für medizinisch aussichtslose 
                      Erkrankungssituationen festlegen.
                    Mit der sogenannten Betreuungsverfügung kann 
                      man eine Vertrauensperson benennen, die dann vom Vormundschaftsgericht 
                      "bestellt" oder beauftragt werden soll, wenn man 
                      zur selbständigen Regelung und Entscheidung der persönlichen 
                      Angelegenheiten oder zur Regelung seiner Vermögensangelegenheiten 
                      nicht mehr in der Lage ist.
                    Die dritte Variante stellt die sogenannte Vorsorgevollmacht 
                      oder für Teilbereiche die Gesundheitsvorsorgevollmacht 
                      dar.
                    Diese Variante hat den Vorteil, dass ich die Person meines 
                      Vertrauens direkt einsetzen kann, ohne auf eine Zustimmung 
                      des Vormundschaftsgerichts angewiesen zu sein. Diese Person 
                      meines Vertrauens kann auch sofort für mich handeln.
                    Eine interessante Abhandlung zu dieser gesamten Thematik 
                      stammt von der Redaktion des "ARD-Ratgeber-Recht", 
                      die im Internet unter der Adresse http://www.doc-service.de/testame.html 
                      abrufbar ist. Hier wurde zunächst der Frage nachgegangen 
                      wer entscheidet wenn mein Wille nicht klar schriftlich niedergelegt 
                      ist. Die Antwort, abgeleitet aus einer Entscheidung des 
                      Oberlandesgerichts Frankfurt von 1998 lautet: der mutmassliche 
                      Wille ist massgebend. Bleibt die Frage "Wer stellt 
                      diesen anhand welcher Kriterien fest ?"
                    Ausser in Notfällen, in denen dies der behandelnde 
                      Arzt ist, ist diese Entscheidung in Deutschland rechtlich 
                      dem Vormundschaftsgericht zugewiesen. Dort sitzt also mein 
                      Richter über Leben und Tod, wenn ich nicht selbst mit 
                      einer Vorsorgevollmacht Vorsorge treffe. In der Fachliteratur 
                      gibt es Stimmen , die es für den jeweiligen Richter 
                      eine "Zumutung" nennen, über solche Fragen 
                      entscheiden zu müssen.
                    Zur Abgrenzung sei in diesem Zusammenhang klargestellt, 
                      es geht hier nicht auch um Fälle der sogenannten aktiven 
                      Sterbehilfe. Diese ist in Deutschland rechtlich untersagt 
                      und kann von keinem Arzt praktiziert oder Richter angeordnet 
                      werden, ohne dass sich dieser nach Paragraph 216 StGB wegen 
                      Tötung auf Verlangen strafbar machen würde.
                    Nicht von strafrechtlicher Sanktion bedroht ist jedoch 
                      der Verzicht auf lebensverlängernde Massnahmen oder 
                      ein Behandlungsabbruch, wenn dieser dem mutmasslichen 
                      Willen des Patienten entspricht und nach ärztlicher 
                      Feststellung eine Gesundung nicht mehr möglich erscheint.
                    Ausserhalb der Strafbedrohung ist auch die sogenannte indirekte 
                      Sterbehilfe angesiedelt. Darunter versteht man die Verabreichung 
                      schmerzlindernder Mittel unter Inkaufnahme einer möglichen 
                      Lebensverkürzung.
                    Eine Zwangsbehandlung ist nur in Ausnahmefällen 
                      zulässig. Hier hat das Bundesverfassungsgericht 
                      zugunsten des Selbstbestimmungsrechtes des Patienten entschieden. 
                      Kann sich ein Patient noch verständlich und klar äussern, 
                      so liegt keine Tötung auf Verlangen vor, wenn ein Arzt 
                      dem Verlangen eines im Sterben liegenden Menschen nach Abschaltung 
                      etwa des Beatmungsgerätes nachkommt. Es handelt sich 
                      dann nur um einen Beistand beim Sterben, nicht um eine Tötung 
                      auf Verlangen im Sinne des StGB.
                    Gleiches gilt für die Abschaltung anderer medizinisch-technischer 
                      Geräte mit lebenserhaltender Funktion wie Dialysegeräte 
                      oder Geräte zur direkten Sonderernährung.
                    Vor diesem tatsächlichen und rechtlichem Hintergrund 
                      hat in den letzten Jahren ein regelrechter Run auf Formulare 
                      für Patientenverfügungen oder Vorsorgevollmachten 
                      eingesetzt. Vorausgesetzt ich möchte mein Selbstbestimmungsrecht 
                      auf die Situationen, in denen ich tatsächlich zu dessen 
                      Ausübung nicht in der Lage bin, erweitern, stellt sich 
                      die konkrete Frage, in welcher Form und mit welchem Inhalt.
                    In seinem Beitrag zu einem Praxishandbuch hat Herr Ralf 
                      Bock, Richter am Landgericht Koblenz, bezogen auf eine Patientenverfügung 
                      unter anderem folgende Regelungsinhalte empfohlen:
                      - Unter welchen Bedingungen und bei welchen Krankheitsfällen 
                      soll meine Verfügung
                        massgebend sein;
                      - Wer den irreversiblen Krankheitszustand feststellen soll;
                      - Welche Behandlungen unterlassen werden sollen, etwa Amputationen,
                        Organtransplantationen, Intensivmedizin, künstliche 
                      Wasser- und Nahrungszufuhr;
                      - Palliative ärztliche und pflegerische Behandlung;
                      - Schmerzmittelverabreichung unter Inkaufnahme einer möglichen 
                      Lebensverkürzung;
                      - Schliesslich könne auch die Frage einer Organspende 
                      hiermit geregelt werden.
                      
                      Weitgehend einig ist man sich, dass eine einmal entwickelte 
                      Patientenverfügung oder Gesundheitsvorsorgevollmacht 
                      letztlich notariell beglaubigt werden sollte.
                    Dies gilt umso mehr dann, wenn, wie bei deutschen Residenten 
                      in Spanien, eine gewisse Wahrscheinlichkeit auch für 
                      eine Anwendungssituation der Vorsorgevollmacht in Spanien 
                      spricht. Nach der spanischen Rechtslage bedarf nahezu jede 
                      Vollmacht für ihre rechtliche Anerkennung der notariellen 
                      Form.
                    Vorteilhaft ist es, diese Vollmacht ergänzend als 
                      Generalvollmacht auszugestalten und ausdrücklich dem 
                      deutschen Recht zu unterstellen. Dies ermöglicht die 
                      Geltung über den Tod hinaus und insbesondere auch dann 
                      noch, wenn der Vollmachtgeber geschäftsunfähig 
                      wird.
                    Der Vorteil besteht zudem darin, dass der Notar mitzuprüfen 
                      hat, ob derjenige, der eine Vollmacht ausstellt entsprechend 
                      im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte, also geschäftsfähig 
                      ist. Diese Frage kann sodann in Entscheidungssituationen 
                      von anderen Personen kaum mehr angezweifelt werden.
                    In Deutschland ist nämlich eine Patientenverfügung 
                      oder eine Vorsorgevollmacht nicht automatisch für alle 
                      anderen Personen verbindlich, entscheidend ist vielmehr 
                      der "mutmassliche Wille", dessen Äusserung 
                      voraussetzt, dass der Sich-Äussernde zu dem früheren 
                      Zeitpunkt der Vollmachtsausstellung auch geschäftsfähig 
                      war.
                    Klarer und einfacher ist die Regelung in der Schweiz. Liegt 
                      dem Arzt dort eine Patientenverfügung vor, so ist diese 
                      bindend, vorausgesetzt es gibt keine sich aufdrängenden 
                      entsprechenden Anzeichen für eine damalige Geschäftsunfähigkeit 
                      und damit Nichtigkeit der Patientenverfügung. Hinzugefügt 
                      sei jedoch, dass auch in der Schweiz dem Arzt ein rechtswidriges 
                      Verhalten per Patientenverfügung nicht zugemutet werden 
                      kann. Ebensowenig kann vom Arzt der Abbruch lebenserhaltender 
                      Massnahmen in Situationen verlangt werden, in denen der 
                      Zustand des Patienten nach allgemeiner ärztlicher Erfahrung 
                      die Wiederkehr der zwischenmenschlichen Kommunikation und 
                      das Wiedererstärken des Lebenswillens erwarten lässt.
                    Bleibt noch die praktische Frage nach dem geeigneten Aufbewahrungsort 
                      für eine Vorsorgevollmacht. In Betracht kommen neben 
                      Vertrauenspersonen aus dem persönlichen Umfeld sicherlich 
                      auch der Hausarzt, der Notar oder das Amtsgericht. Am besten 
                      in mehreren Exemplaren, in deutscher und spanischer Sprache 
                      und notarieller Form und  wichtig! - ein entsprechender 
                      Hinweis auf die Aufbewahrungsorte oder eine Kopie in der 
                      Brieftasche, denn was ist eine Gesundheitsvollmacht wert, 
                      wenn im Bedarfsfall niemand davon Kenntnis bekommt!
                    Eine interessante Abhandlung zu dieser gesamten Thematik 
                      wurde von Professor Wilhelm Uhlenbrock im Humanitas-Verlag, 
                      ISBN 3-928366-22-X, veröffentlicht.