E-Commerce und Cyberlaw
Im Internethandel herrscht neben Angeboten aus der Welt grösste
Rechtsunsicherheit
(veröffentlicht im Palma Kurier, 28.01.2000)
Im Dezember letzten Jahres hat die EU neue Richtlinien für
den Internethandelt bestimmt. Entsprechende nationale Gesetze
sollen in den nächsten Monaten verabschiedet werden.
Bis dahin surft der Verbraucher im Nebel des Cyberlaw.
Das Internet ist in aller Munde. Begriffe wie Online-_Banking,
E-Commerce oder E-Mail sind heute selbstverständlich.
Doch Arbeit und Handel in der virtuellen Welt werfen auch
vielerlei Rechtsfragen auf.
Der Begriff Internet-Recht, auch Netlaw oder Cyberlaw genannt,
kann leicht einen irreführenden Eindruck hervorrufen.
Denn der Begriff suggeriert, dass das Internet-Recht eine
eigene Rechtsmaterie darstellt, die den Zusammenhang Recht
und Internet abschliessend realisieren. Diese Vorstellung
ist jedoch zu allgemein, mag sie auch für Teilprobleme
zutreffen. Wer die über das Internet abgewickelten Verträge
näher betrachtet, stellt folgendes fest: Im Internet
sind grundsätzlich die gleichen Regelungen relevant wie
im herkömmlichen Geschäftsverkehr.
Auch im E-Commerce, dem Internet-Handel, spielen Fragen des
Zustandekommmens von Verträgen, ihrer Erfüllung,
Sachmängelhaftung etc. eine Rolle. Darüber hinaus
sind Fragen des Markenrechts, Wettbewerbsrecht, Steuerrechtes
und auch des Strafrechtes zu beachten. Insofern stehen wir
im Internet vor der ganzen Breite rechtlicher Probleme, die
auch im normalen Geschäftsverkehr von Bedeutung sind.
Das Internet konfrontiert uns jedoch auch mit völlig
neuen Fragen, die durch die herkömmliche Rechtsordnung
oft nicht angemessen behandelt werden können.
Welthandel mit Klammeraffen
Das rasante Tempo der technischen Entwicklung verkompliziert
die Rechtssituation zusätzlich. Wie so oft hinkt auch
im Internet die rechtliche Regelung der gesellschaftlichen
und technischen Entwicklung hinterher. Man muss sich in diesem
Zusammenhang vor Augen führen, dass das BGB und die ZPO
(Zivilprozessordnung) vor über hundert Jahren entworfen
wurden. Diese, für den zivilrechtlichen Bereich fundamentalen
Gesetze treffen heute auf technologische Entwicklungen, di
am Ende des neunzehnten Jahrhunderts nicht ansatzweise vorstellbar
waren. Das gilt sowohl für Deutschland als auch für
die Rechtsordnungen anderer Länder und betrifft auch
den Codigo Civil in Spanien.
Per Mausklick ins Problem
Insbesondere ergeben sich aus der Internetnationalität
des Mediums Internet rechtliche Probleme. Dies gilt vor allem
für den in Fragen des Internationalen Privatrechtes nicht
versierten Verbraucher. Heute haben alle Firmen, und seien
sie noch so klein, die Möglichkeit, ihre Waren und Dienstleistungen
über das Internet in der ganzen Welt zu präsentieren.
Verbraucher wie auch kleinere Gewerbetreibende können
über das Internet am Weltmarkt teilhaben. Werden über
das Internet vertragliche Beziehungen eingegangen, so liegt
häufig die sogenannte Auslandsberührung
vor. Diese Berührung kann sich aus der Staatsangehörigkeit
der Vertragsschliessenden ergeben, aus ihrem Wohnort oder
aus weiteren Markmalen, wie z.B. dem Sitz einer Firma.
Mit Recht auf Tuchfühlung
In Fällen mit Auslandsberührung stehen in der juristischen
Praxis immer wieder zwei Fragen im Vordergrund: Erstens: Das
Recht welches Staates ist innerhalb vertraglicher Beziehungen
anwendbar ? Zweitens: Wo muss das Recht im Falle einer
Klage durchgesetzt werden ? Hierzu ein Beispiel: Was
passiert, wenn ein Deutscher in Deutschland über die
Web-Site einer amerikanische Firma Waren bestellt, die sich
nach Bezahlung als mangelhaft herausstellen ?
So einfach dieser Sachverhalt auf den ersten Blick aussieht,
wirft er doch inder Praxis eine Vielzahljuristischer Fragen
auf. Aus der Sicht des Anwaltes stellt sich in erster Linie
die Frage der praktischen Durchsetzbarkeit der Ansprüche.
Hat die Firma ihren Sitz in den USA, so ist sie im Regelfall
auch dort zu verklagen. Das zuständige amerikanische
Gericht würde nach seinem Internationalen Privatrecht
feststellen, welche nationalen Rechtsordnung auf den Sachverhalt
Anwendung finden muss. Das Internationale Privatrecht ist
dabei derjenige Teil einer Rechtsordnung, die für Fälle
mit Auslandsberührung regelt, welches nationale Recht
anzuwenden ist.
Die Tatsache, dass der Fall vor einem amerikanischen Gericht
verhandelt wird, heisst noch nicht, dass amerikanisches Recht
angewandt wird. Das mag für den Laien überraschend
sein, stellt aber ein juristisches Faktum dar.
Handelt es sich in unserem Fall um einen Warenkauf, so kommt
unter bestimmten Voraussetzungen die Anwendung des kaufrechtes
der Vereinten Nationen in Frage, das sogenannte UN-Kaufrecht.
Insofern kann ein Internet-Händler sich ohne weiteres
in die Notwendigkeit versetzt sehen, wegen eines Mausklicks
vor amerikanischen Gerichten auf der Basis von UN-Kaufrecht
klagen zu müssen. Wer denkt schon an solche komplexen
Sachverhalten, wenn man in Hamburg, München oder Palma
vor dem Computer sitzt ?
Günter Menth
Rechtsanwalt / Abogado inscrito
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