Der Internet-Handel braucht eine weltweite Regelung und
Vereinheitlichung der Gesetzeslage
(veröffentlicht im Palma Kurier, 04.02.2000)
Im Internet herrscht Chaos: Grenzenlos durchs Netz surfen
steht jedem offen, doch wer am PC von Deutschland oder Spanien
aus weltweit shoppen will, sollte notfalls einen guten Anwalt
haben.
Das Recht im Netz, das Cyberlaw oder auch Netlaw genant,
war Hauptthema des letzten Artikels. Es soll den Handel im
Internet, das e-commerce, regeln. Grundsätzlich ist festzuhalten,
dass für das Internet ähnliche Rechtsfragen wie
im netzfreien Geschäftsverkehr gültig sind. Dabei
spielen Fragen des Wettbewerbs, Markenrecht oder Steuerrecht,
wie auch das Strafrecht eine Rolle. Doch wer glaubt, dass
im weltweiten Internethandel Rechtsklarheit herrscht, ist
auf dem Irrweg.
Wie bereits erwähnt wurde, ist im e-commerce bei Geschäften
mit Auslandsberührung das internationale Privatrecht
von Bedeutung. Es regelt im Falle von Streitigkeiten, welches
nationale Recht anzuwenden ist. Doch während für
den Kauf und Verkauf von Waren das Internet keine Grenzen
kennt, wird Internationalität gerade für die Justiz
zum Problem.
Unzumutbares Kaufambiente
Ein Beispiel: Vielleicht bestellt man ein Produkt bei einer
in Asien ansässigen Firma, die für Bestellungen
über Internet australisches Recht als anwendbar voraussetzt.
Auch das ist unter speziellen Voraussetzungen möglich,
die Wahl einer bestimmten Rechtsordnung für einen bestimmten
Betrag. Ohne auf die näheren rechtlichen und tatsächlichen
Probleme unseres Falles einzugehen wird klar, dass eine unter
wirtschaftlichen Gesichtspunkten vertretbare Rechtsdurchsetzung
zumindest für Verbraucher nahezu unmöglich ist.
Das bedeutet nicht, dass man nun keinerlei Käufe über
das Netz tätigen sollte. Die Möglichkeit, schnell
auf den anglo-amerikanischen Buchmarkt zugreifen zu können,
stellt einen grossen Fortschritt in Sachen Service dar. Ausserdem
können via Internet auch Flugtickets auf unkomplizierte
Weise erworben werden.
Im Regelfall handelt es sich in solchen Fällen auch
nicht um grössere Summen. Das heisst, das wirtschaftliche
Risiko ist überschaubar. Festzuhalten ist auch, dass
eine grosse Anzahl von Anbietern im Web einen hervorragenden
Service bietet. Viele Firmen regeln entstehende Probleme auf
praktische Weise auf dem Wege der Kulanz. Sobald es jedoch
um wirtschaftlich bedeutende Transaktionen geht, ist aus juristischer
Sicht Vorsicht geboten. Das gilt gerade auch für Anbieter
von Leistungen.
EU verspricht Harmonie
Ohne eine umfassende juristische Beratung setzt sich eine
Firma im Zweifelsfall komplexen internationalrechtlichen Haftungsfragen
aus. Gestaltet eine Firma auf ihrer Web-Site ihr Warenangebot
als Vertragsangebot aus, so kann das fatale Folgen haben.
Bestellen die Kunden mehr Waren als geliefert werden können,
so bleibt die Firma nach deutschem Recht zur Lieferung verpflichtet.
Kann sie nicht liefern, so können sich Ansprüche
auf Schadensersatz ergeben. Um das zu verhindern, sollte man
bei der Gestaltung der Web-Site darauf achten, Angebote als
Aufforderung zum Abgeben eines Vertragsangebotes durch
den Kunden auszugestalten. Da es keine internationale
Rechtsharmonisierung gibt, können hier auch keine allgemeingültigen
Ratschläge erteilt werden.
Einen Fortschritt versprechen in dieser Hinsicht einige EU-Richtlinien,
die das e-commerce Regeln sollen. In diesem Zusammenhang sind
etwa die Fernabsatzrichtlinie, die E-Signatur-Richtlinie und
die sogenannte E-commerce-Richtlinie zu nennen. Auf die letztgenannte
Richtlinie haben sich die zuständigen EU-Minister kürzlich
geeinigt. Danach soll für Anbieter im Internet das Prinzip
des Rechtes des Herkunftslandes gelten. Das bedeutet mit Blick
auf die Werbepraktiken, dass für deutsche Anbieter deutsche
Wettbewerbsrecht und das deutsche Rabattgesetz beim Web-Auftritt
zu beachten ist.
Anbieter aus andern Ländern können demgegenüber
die in ihren Ländern teilweise grosszügigeren Regelungen
auch gegenüber deutschen Kunden nutzen. In der Folge
wird das deutsche Wettbewerbsrecht liberalisiert werden müssen,
da sonst eine Benachteiligung deutscher Unternehmen zu befürchten
ist.
Klare Sache für Webseite
Für vertragliche Beziehungen sollen weitgehend die gleichen
Regeln des internationalen Privatrechtes gelten, wie für
den herkömmlichen Geschäftsverkehr. Das würde
bedeuten, dass auch zukünftig bei Problemen mit einem
englischen Anbieter die Klage in England zu erheben wäre
usw.
Für einige Verbraucherangelegenheiten sollen natürlich
Ausnahmen gelten. Festzuhalten bleibt jedoch, dass diese Regeln
nur für den Bereich der EU gelten werden. Schon heute
wird aber ein Grossteil des e-commerce ausserhalb der EU abgewickelt.
Schon mittelfristig kann deshalb nur eine Welt-Rechtsordnung
für das e-commerce substantielle Veränderungen für
die Rechtssicherheit bringen.
Wir sollten die Chance nutzen, die uns durch das Internet
an die Hand gegeben wurde. Dies gilt sowohl für Verbraucher,
als auch für kommerzielle Nutzer. Aus juristischer Sicht
hingegen bleibt noch so manche Frage offen.
Günter Menth
Rechtsanwalt / Abogado inscrito
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