(veröffentlicht im Palma Kurier, 19. 11.1999)
Für Deutsche gilt in Spanien ein doppeltes
Erbrecht
Das Hinauszögern von Erbschaftsfragen schafft Probleme,
zu Lebzeiten wie auch für die Folgegeneration. Zerstrittene Erbengemeinschaften, die langsam das ganze
vermachte Vermögen vernichten, sind leider oft die Realität.
Für Deutsche mit Vermögenswerten in
Spanien gelten rechtliche Besonderheiten. Wer als Deutscher
vererbt, unterliegt dem deutschen Erbrecht. Gleichzeitig fallen
aber alle in Spanien gelegenen Vermögensgegenstände
unter das spanische Erbschaftssteuerrecht.
Formell gesehen eröffnet ein internationales Abkommen
zwischen beiden Ländern die Möglichkeit, das Testament in den national unterschiedlichen
Rechtsformen abzufassen. Das heisst, das Testament kann einerseits
nach der Rechtsform des Aufenthaltsortes, also Spanien, verfasst
werden. Andererseits aber auch nach der Rechtsform, die das
Land der jeweiligen Staatsangehörigkeit vorschreibt.
Es überschneiden sich demnach zwei Rechtssysteme. Um
ganz oder teilweise auf Mallorca lebenden Deutschen gerecht
zu werden, gibt es besondere Lösungswege.
Dabei gehen Theorie und Praxis, wie fast immer, oft weit auseinander.
Erben ist in Spanien Pflicht
Nach deutschem Erbrecht bedarf es keiner Erbschaftsannahme.
Der Erbe tritt mit dem Tod des Vererbers automatisch in dessen
Rechtsposition ein. Das spanische Erbrecht erfordert
allerdings in der Praxis die ausdrückliche notarielle Erbschaftsannahme durch den Erben als
Voraussetzung für dessen Rechtsnachfolge.
Vererbt ein Vater seinem Sohn eine Immobilie in Spanien,
so bedarf es in der Theorie keiner Erbschaftsannahme. In der
Praxis verweigert jedoch jedes spanische Grundbuchamt, registro
de la propiedad, die Eintragung des Sohnes als Rechtsnachfolger,
wenn zuvor keine Erbschaftsannahmeerklärung abgegeben
wurde.
In diesem Fall gibt es zwei Alternativen. Entweder man versucht,
mit aufwendigen deutschen Rechtsgutachten eine Eintragung
ins Grundbuch ohne vorherige Erbschaftsannahme durchzusetzen.
Oder man gibt noch ergänzend in Spanien eine Erbschaftsannahmeerklärung
ab. Letzteres ist die internationale Rechtspraxis.
In 2001 wurde der Verjährungszeitraum der spanischen
Erbschaftssteuer von vormals fünf Jahren auf nunmehr
vier Jahre verkürzt.
Wer wartet spart Steuern
Die spanische Erbschaftssteuer ist durchweg höher als
die deutsche. Für Kinder und für Ehegatten gibt
es lediglich Erbschaftssteuerfreibeträge von ca. 30.000
DM. Für in Deutschland gelegene Vermögensgegenstände
ist der entsprechende Freibetrag um das 13-fache beziehungsweise
20-fache höher. So gelangt man häufig zu Erbschaftssteuersätzen
von 20 Prozent bei nächsten Verwandten und 40 Prozent
beim nichtehelichen Lebensgefährten. Der spanische Spitzensteuersatz
liegt bei 81 %.
Wer eine zeitnahe Veräusserung der Spanienimmobilie
an einem familienfremden Dritten plant, kann nicht auf Verjährung
hoffen, weil kein Grundbucheintrag dwäre zu überlegen,
statt der deutschen Immobilie die spanische mit einer wertmindernden
Hypothek zu belasten, das Vermögen nach Deutschland zurückzuverlagern
oder schlichtweg die spanische Erbschaftssteuer verjähren
zu lassen. Legel ist letzteres natürlich nicht, allerdings
in der mallorquinischen Tradition ebenso verankert wie die
Unterverbriefung des tatsächlichen Wertes bei Grundstückskaufverträgen.
Ist der Verjährungszeitraum abgelaufen, sind keine Steuerstrafzuschläge
mehr zu zahlen. Erfährt die Steuerbehörde jedoch
vor Ablauf der Verjährungsfrist vom Tod des Vererbers,
dann wird es teuer.es dritten Erwerbers ohne Voreintrag des
Erben erfolgen kann.
Von dem in Deutschland ehemals und jetzt wieder so beliebten
Berliner Testament sei nachhaltig gewarnt. Dies
jedenfalls dann, wenn eine Familie über grössere
Vermögenswerte in Spanien verfügt. Beim Berliner
Testament beerben sich die Eheleute zunächst gegenseitig
und setzen ihre Kinder als Schlusserben ein. Diese mehrfache
erbrechtliche Vermögensübertragung führt leicht
zu einer erbschaftssteuerlichen Katastrophe, zumindest was
das in Spanien gelegene Vermögen betrifft. Eine Alternative
wäre, dem Ehegatten das persönliche Nutzungsrecht,
wie etwas das lebenslängliche Niessbrauchsrecht an der
Finca einzuräumen, den erbrechtlichen Übergang jedoch
direkt an die nachfolgende Generation zu bewirken. Eine wichtige
Frage ist, welche erbrechtlichen Ansprüche dem früheren
Ehepartnern oder dem aktuellen Lebensgefährten zustehen.
Kurz gesagt keine, ausser er wird ausdrücklich im Testament
als Erbe oder Vermächtnisnehmer eingesetzt.
Erben ohne Trauschein
Ein Ehegatten verliert nach deutschem Erbrecht mit Scheidung
sein gesetzliches Ehegattenerbrecht. Der massgebliche Zeitpunkt
ist die Zustellung des Scheidungsantrages. Das ist in der
Regel der Fall, wenn die Ehegatten mindestens ein Jahr getrennt
leben. Heute auszuziehen und morgen die Enterbung des Ehegatten
zu erreichen, so schnell geht s also nicht.
Wollen sich nichteheliche Lebenspartner gleichzeitig erbrechtlich
bedenken, ist in jedem Fall ein Testament oder ein Erbvertrag
erforderlich. Der neue Lebensgefährte kann heute auch
bei Fortdauern der Ehe rechtswirksam als Erbe eingesetzt werden.
Richtergenerationen in der Nachkriegszeit versagten einer
testamentarischen Einsetzung des Lebensgefährten wegen
Sittenwidrigkeit die rechtliche Anerkennung. Die
sich darin ausdrückenden Moralvorstellungen der Justiz
sind heute in der Rechtspraxis überholt und finden keine
Anwendung mehr.
Günter Menth
Rechtsanwalt / Abogado inscrito
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