In der Vergangenheit gab es in Deutschland viele Kanzleien mit
Kanzleisitz praktisch Tür an Tür zum jeweiligen Amts- oder
Landgericht, welche hauptsächlich Mandate und Gerichtstermine
für auswärtige Kollegen wahrnahmen, denen das eigene Auftreten
im fremden Gerichtsbezirk untersagt war. Oft mit der absurden
Folge, dass der sachbearbeitende auswärtige Anwalt auch die
Gerichtstermine persönlich wahrnahm, aber den
Vor-Ort-Rechtsanwalt als sonst stillen, sachunkundigen blossen
Antragsteller, bei Honorarteilung, mitbringen musste.
Andernfalls galt der tatsachlich erschienene Rechtsanwalt als
nicht existent und der Prozess wurde wegen Säumnis verloren,
wenn man nicht noch kurz aus dem Gerichtsgang einen zufällig
anwesenden Kollegen schnell in den Verhandlungsraum schleppen
konnte.
Dieses Schauspiel wiederholte sich in ähnlicher Weise, wenn
man die anwaltliche schwarze Amtstracht, die Robe, vergessen
oder andernorts liegen gelassen hatte.
Dann galt es oft mit mehr oder weniger Überredungskunst im
Gerichtssekretariat die Gerichtsschreiberin oder den
Gerichtsschreiber zu überzeugen, doch kurzzeitig einmal von
dieser/m ihre schwarze Amtstracht überlassen zu bekommen, wenn
nötig unter Hinterlegung des eigenen Ausweises als Pfandstück.
Schliesslich kann man ja nicht jedem dahergelaufenen
auswärtigen Rechtsanwalt, - oder Nichtrechtsanwalt -, von
vornherein trauen. Die Amtstracht der Robe ist teuer.
In Spanien übrigens war und ist dies anders geregelt. In jedem
Gerichtssaal hängt eine Robe, welche sich der jeweils
erscheinende Anwalt überstülpen kann.
Hier bleibt zu hoffen, die deutsche Justiz und Anwaltschaft
werde schnell vom spanischen Vorbild lernen. Der Anwalt vor
deutschem Gericht jedenfalls wäre dankbar, wenn dieser Stress
ohne Sinngehalt kurzfristig ganz beseitigt würde, zumal auch
das Reisegepäck reduziert würde.
Auch die alleinige Zugangsmöglichkeit bestimmter Anwälte zu
höheren Gerichten als Berufungs- und Revisionsanwalt wurde in
Deutschland reduziert und damit auch die Notwendigkeit des
Einsatzes eines weiteren Kollegen, wenngleich die
Unterbeauftragung eines so spezialisierten Kollegen z. B. beim
Revisionsverfahren gleichwohl oft sinnvoll bleiben dürfte.
Übrigens kann heutzutage auch jeder deutsche Rechtsanwalt mit
alleinigem Kanzleisitz in Deutschland im Einzelfall einen
Prozess in Spanien führen und dort direkt vor Gericht
auftreten, wie natürlich auch umgekehrt der spanische Kollege
in Deutschland.
Beides allerdings erscheint im Regelfall wenig sinnvoll. Nicht
unbedingt wegen der geographischen Entfernung, eher schon
wegen der Gerichtssprache, umsomehr aber wegen des
unterschiedlichen Prozessablaufes und des anderen angewandten,
spanischen Rechtes.
Heute ermöglicht zudem die verbesserte Kommunikationstechnik
von Fax, e-mail und der Aktenzugang in Deutschland per
elektronischer Akte, durch Weitergabe des Zugangsschlüssels an
den Kollegen in Spanien, eine einfachere
Sachverhaltsvermittlung.
Aus praktischen Gründen sollte der in Spanien übernehmende
Kollege allerdings sehr gut mit der deutschen Sprache vertraut
sein.
Der schrittweise Hindernisabbau bei der Prozessführung im
jeweiligen EU-Ausland und die Möglichkeit auch bei
Angelegenheiten mit Bezug zum internationalen Rechtsverkehr
zum Prozesserfolg zu kommen, macht eine solche
Anwaltskooperation über Ländergrenzen hinweg heute sinnvoller
denn je.
Gleich bleibt der Grundsatz: Der erfolgreichste Prozess ist
oft derjenige, der gar nicht geführt werden muss.
So wird mancher Gegner, der sich auf das Schreiben eines
Anwaltes aus dem Ausland in Spanien zunächst taub oder tot
stellt, beim Schreiben oder Kontakttelefonat durch einen
Kollegen mit Kanzleisitz in Spanien, gleichsam um die Ecke des
eigenen neuen Wohnterrains, kurzfristig gesprächsbereit, um die
„vergessene“ Angelegenheit doch möglichst schnell zu
erledigen.
In solchen Fällen kann allein der parallele Einsatz des
Kollegen vor Ort in Spanien Bewegung in die Sache bringen und
zu einer aussergerichtlichen Lösung führen.
Günter Menth
Erbrechtsanwalt für Spanien und Deutschland
Tel.: 971 – 55 93 77
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e-mail:
info@erbrechtskanzlei-spanien.de
www.erbrechtskanzlei-spanien.de
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